Titelfoto: Powerman Zofingen
Powerman Zofingen: Austragungsort der Langdistanz Duathlon WM
Dutzende Trainingseinheiten und unzählige Trainingsstunden hatte ich in Vorbereitung auf die Duatlon WM gesteckt. Voller Vorfreude und in einer guten Trainingsform stand ich also an der Startlinie. Alle Teilnehmerinnen des Elitefeldes wurden persönlich aufgerufen und an die Startlinie gerufen, spätestens da kam WM-Stimmung auf. Die Sonne schien, war war sommerlich warm, ganz anders als beim kalt-nassen Wettkampf im Vorjahr. Durch das Mikro dann die offiziellen Worte: “On your marks”, ein Schuss, und los ging es.
Die WM in Zahlen
- 2000 kcal habe ich während des knapp 7-stündigen Rennens zu mir genommen, den Großteil davon während der Radfahrt (in Form von Maltodextrin)
- über 2600 Höhenmeter gab es insgesamt (Laufstrecke + Radstrecke) zu überwinden.
- ca. 2200 ml Wasser habe ich während des Rennens getrunken.
- 33,3 km/h war meine Durchschnittsgeschwindigkeit auf dem Rad
- 4:18 Stunden habe ich für die Radstrecke benötigt (ca. 144 km, 1815 Höhenmeter)
- 25 km war der längste Trainingslauf in der Vorbereitung auf die WM
- bis zu 26 Trainingsstunden pro Woche habe ich in den Wochen vor der Weltmeisterschaft trainiert
Teil I: Der erste Lauf
Wie erwartet ging das Rennen in einem flotten Tempo los. Wenige Meter nach dem Start ging es steil den Berg hoch. Und alle Athletinnen rannten, als würde oben das Ziel warten. In meinem Kopf dann so viele Gedanken: «Gemäßigtes Tempo laufen!», «Nicht zu sehr mitreißen lassen, das Rennen wird noch 7 Stunden dauern!» Aber andererseits wollte ich eben auch bei diesem Tempo mitlaufen (und kann das ja auch, war mir nur unsicher, wie “klug” das ist), ohne eine Lücke aufgehen zu lassen. Nach 2 Kilometern hatte sich dann das Tempo aber auch etwas gelegt.
Ich arbeitete mich Stück für Stück weiter im Feld vor und war schließlich am Ende des ersten Laufs auf Platz 4. Der Lauf war allerdings anstrengend. Knapp 10 Kilometer, ca. 230 Höhenmeter und ungewohnter Untergrund auf unebenem Waldboden. Für mich, die normalerweise auf Asphalt läuft und eher einen Bogen um hügelige Trailläufe macht, eine Herausforderung, aber eine, die ich gut gemeistert habe. Schließlich habe ich auch in meinem Sommerurlaub in der Schweiz diverse solcher Läufe trainiert.
Die erste Wechselzone
Nur wenige Sekunden fehlten mir auf Platz 3. Ich rannte also schnell in die Wechselzone, denn eins ist wichtig (die Worte des Coaches in meinem Kopf): «Die Wechselzone ist keine Pause!»
Die Wechsel hatte ich im Sommer im Vorbereitung auf die World Games in Birmingham trainiert und verbessert, das kam mir jetzt zu Gute. Meine Schuhe waren bereits in den Pedalen eingeklickt, ich setzte schnell meinen Helm auf, schnappte mein Rad und rannte auf Socken über den noch feuchten Rasen zur Mount-Line. Sobald ich diese überquert hatte, durfte ich auf das Rad hüpfen und losfahren.
Teil II: Die Radfahrt
Noch nicht in die Schuhe geschlüpft, sondern in meinen Socken auf den Schuhen in die Pedale tretend, fuhr ich die ersten 500 Meter um auf Tempo zu kommen. So wie ich es geübt hatte, bin ich dann in die Schuhe geschlüpft und es ging weiter. Immer im Blick meinen Radcomputer, der mir meine Leistung anzeigte. Ich hatte vorher mit Vincent und Bent genaustens besprochen, auf welchem Streckenabschnitt ich wie viel Watt treten sollte, um am Ende eine optimale Zeit mit meiner Kraft erreichen zu können.
Nach wenigen Kilometern kam der erste Anstieg. Ich hatte mein Konkurrentin also schon ein paar Minuten ein paar dutzend Meter vor mir beobachten und einschätzen können. Mein Fazit: ich wollte überholen. Und das tat ich dann, in dem Wissen, dass ich ab jetzt um einen Podiumsplatz kämpfte.
Zunächst lief alles nach Plan. Ich konnte die Leistung abrufen, die ich mir vorgenommen hatte. Die Abfahrten liefen ebenfalls besser als im letzten Jahr, nicht nur, weil es nicht in Strömen regnete, sondern auch weil ich einiges an Erfahrung auf meinem Zeitfahrrad sammeln konnte.
Drei Runden waren insgesamt zu fahren. Alles fühlte sich super an. Meine Beine waren frisch, die Kraft war da, volle Konzentration, alles super.
Aber auf der letzten Runde merkte ich, wie meine Kraft etwas nachließ und ich nicht mehr so leicht wie in der ersten Runde meinen Pacing-Plan einhalten konnte. Irgendwann fühlten sich die Anstiege steiler an, die flachen Passagen zäher und auch der Durst wurde größer. Und meine Augen wurden müde. Ein unangenehmes Gefühl, dass ich bislang erst einmal in dieser Form erlebt hatte – und das war im letzten Jahr beim Langdistanz Duathlon. Durch das lange gebückte Sitzen in der Aeroposition und das lange Hochstarren auf die Straße fiel es mir irgendwann kurzzeitig schwer, meine Augen offen zu halten. Zusammenreißen jetzt! Doch irgendwie konnte ich meinen Plan dann weiter einigermaßen umsetzen, es wurde halt härter. Aber das hat ein Rennen so an sich.
Verpflegung ist bei einem Langdistanz-Wettkampf das A und O. Ich hatte auf dem Rad meinen “Zaubertrank” dabei, den ich mir bereits am Vorabend angerührt hatte: ein 500 ml Gemisch aus Maltodextrin, Iso-Pulver (Dextrose, Maltodextrin, Fructose, Mineralstoffe), Salz und Wasser. Pfui, nicht gerade ein grandioses Geschmackserlebnis. Eher eine süße, dickflüssige Pampe. Und dennoch der Schlüssel zum Erfolg. Denn eins ist klar: von nix kommt nix. Die Kraft für ein intensives Sieben-Stunden-Rennen kann keiner nur mit körpereigenen Reserven bereitstellen.
Auf den letzten Kilometern der Radrunde ging mir durch den Kopf, dass jetzt noch ein zweistündiger Lauf auf mich warten würde. Ein Gedanke, der mich abschreckte. Denn ich war schon erschöpft und das Profil des Laufs hat es in sich. Aber ließ mich von diesem kurzen kleineren Tief nicht verunsichern und machte so weiter, wie ich es geplant hatte und brachte die Radstrecke solide hinter mich.
Die zweite Wechselzone
Nach über 4 Stunden hatte ich es geschafft. Ein paar Hundert Meter vor der Dismount-Line öffnete ich den Klettverschluss meiner Radschuhe und schlüpfte vorsichtig während des Fahrens erst aus dem einen, dann aus dem anderen Schuh. Jetzt volle Konzentration, bloß nicht stürzen, das wäre unnötig ärgerlich aber ein Risiko, wenn man nach dem stundenlangen Rennen schon etwas müder und unkonzentrierter wird. Ich stieg vom Rad, rannte durch die Wechselzone zu meinem Platz, stellte das Rad an den vorgesehenen Platz, setzte meinen Helm ab, schlüpfte in meine Laufschuhe, schnappte mir meine 4 Gels für den zweiten Lauf und rannte los. Langsam aber sicher werden meine Wechsel immer besser!
Teil III: Der zweite Lauf
Ich wusste schon aus dem letzten Jahr, was beim zweiten Lauf auf mich zukommen würde: Drei Runden à ca. 9 km mit knapp 200 Höhenmeter pro Runde, ein großer Teil dabei über Wald- und Forstwege.
Die ersten Schritte fühlen sich nach intensivem Radfahren immer wackelig an. Ich fühle mich dann immer, als ob ich total instabil laufe und meine Beine bei jedem Schritt nach außen knicken. Doch dieses Gefühl kenne ich mittlerweile und ich weiß, dass ich trotzdem nach dem Radfahren anständig laufen kann, auch wenn es sich merkwürdig anfühlt. Und das ist ja auch meine Stärke: nach intensivem Radfahren eine starke Performance beim zweiten Lauf zu liefern. Und das war auch an diesem Tag das Ziel.
Ich wusste, dass nicht mehr viel schief gehen kann und ich mit einer Bronzemedaille auf dem Podest stehen würde, wenn ich den zweiten Lauf sicher ins Ziel bringe. Denn ich hatte sowohl auf Platz 2, als auch auf Platz 4 ca. 10 Minuten Differenz. Ich konnte also “auf Sicherheit” laufen, war mir selbst dabei aber dennoch mein größter Konkurrent: ich wollte beweisen, was ich kann! Und daher holte ich noch einmal das Beste aus mir raus. Schritt für Schritt, Runde für Runde. Und es lief super. Ich merkte zwar die Erschöpfung, aber auch, dass meine Renneinteilung gut funktionierte. So konnte ich am Ende sogar die schnellste Zeit auf dem zweiten Lauf erreichen!
Allerdings hat der Lauf es wirklich in sich: steile Anstiege, teilweise wirklich unebener Boden, der bei anderen Wettkämpfen eindeutig als Traillauf durchgehen würde und auch die Downhill-Passagen waren teilweise so, dass ich sie nicht einfach schnell runterheizen konnte, sondern bei jedem Schritt aufpassen musste, nicht zu stolpern. Und es war warm. Es gab einige Verpflegungsstellen und ich hielt an jeder einzelnen an, ging ein paar Schritte langsam, um ein paar Schlücke zu trinken und mir einen zweiten Becher über den Kopf zu leeren. Das mache ich sonst nie! Normalerweise laufe ich bei Verpflegungsstellen weiter und scheitere dann aber auch, anständig zu trinken, denn das ist bei dem Tempo gar nicht so einfach. Da schaffe ich es eher, mir den ganzen Becher ins Gesicht zu schütten, ohne einen einzigen Schluck getrunken zu haben.
Nach zwei Stunden war lief ich dann das letzte mal das steile Stück aus dem Wald heraus, das letzte Mal vorbei an den jubelnden Zuschauern am Heiterenplatz und dann in Richtung Ziel.
6:58:30 Stunden Power! Bronzemedaille! Ein unvergessliches Rennen!
Die Fortsetzung von “Goldener Rat in der Pizzeria”
…einige erinnern sich an meine Geschichte von der Duathlon Weltmeisterschaft 2021, bei der ich am Vortrag des Wettkampfs den im wahrsten Sinne des Wortes einen “Goldenen Rat” bekommen habe (zum Zeitungsartikel geht’s hier, zu meinem Blogartikel zur WM 2021 hier). Diesen Goldenen Rat, nämlich eine extra Lage Kleidung anzuziehen, da es in den vergangenen Jahren stets bitter kalt geworden war, habe ich von einem sehr freundlichen und aufgeschlossnen älteren Ehepaar bekommen. Die beiden haben jahrzehntelange Powerman-Zofingen-Erlebnisse mit zahlreichen Sportlern, da sie immer wieder Athleten über das Rennwochenende zu sich eingeladen und aufgenommen hatten. Wir kamen im letzten Jahr zufällig ins Gespräch und nicht nur das: auch kamen sie im letzen Jahr an die Strecke und haben mich angefeuert. Wir blieben das Jahr über in Kontakt und so kam es, dass die beiden uns im Rahmen des Powermans 2022 eingeladen hatten und wir waren gerne ihre Gäste. Wir hatten nette Gespräche, tauschten Geschichten aus, aßen Rüblikuchen. Diese schöne Erinnerung macht das Drumherum um das Rennen zu etwas ganz Besonderem.
…einen kritischen Kommentar bezüglich des Ergebnisses habe ich in einem gesonderten Beitrag geschrieben. Diese Kritik sollte aber abseits meiner Erlebnisse vom eigentlichen Wettkampf stehen, da ich ein tolles Rennen hatte, das keinerlei herab gewertet werden sollte und wovon ich in diesem Rennbericht erzähle. Für alle Interessierten ist der Link zum gesonderten Kommentar wie folgt: Fehlende Sanktionen trotz Regelverstößen – Unfair Play bei World Triathlon und seitens der Konkurrenz?